Wallfahrten

Von Wallfahrten, Volksfrömmigkeit und Kindertaufen

Das Gnadenbild „Maria vom Blut“
Am Hochaltar der Pfarr- und Wallfahrtskirche„ St. Philippus und Jakobus“ in Bergatreute (Kreis Ravensburg) befindet sich das Gnadenbild „Maria vom Blut“. Doch wie kam dieses wundertätige Gnadenbild vor 325 Jahren nach Bergatreute in Oberschwaben? Der Ursprung des Gnadenbildes war ein Fresko mit einer Madonna an der Fassade der Kirche im oberitalienischen Dorf Re. Ein kräftiger und mutwilliger Steinwurf traf das Gesicht Marias und des Jesuskindes am 29. April 1494.

Wallfahrt
Das Gnadenbild "Maria vom Blut "
im Hochaltar .

Daraufhin soll  Blut aus der Steinwurfwunde von Maria und Jesus  herausgeronnen und über deren Gesichter getropft sein. 
Das „Blutwunder“ soll 20 Tage angedauert haben. Die Folge waren Wallfahrten und Gebetserhörungen. Immer mehr fromme Pilger suchten das italienische Dorf  Re auf. Auch wurden von diesem Fresko  Bildkopien  hergestellt, die hauptsächlich von ausgewanderten und arbeitssuchenden Kaminkehrern in ganz Italien und in Europa verbreitet worden sind.
Um 1650 gelangte eine solche Bildkopie nach Klattau in Böhmen.
Durch „verwandtschaftliche Beziehungen „gelangte eine weitere Bildkopie schließlich im Jahre 1686 von Klattau, wo sich ein zweites  Blutwunder ereignete, ins oberschwäbische Bergatreute zum damaligen  Pfarrer Johann Michael Mietinger. Nach einem zweijährigen Aufenthalt im Pfarrhaus fand das Gnadenbild schließlich seinen Weg in die Pfarrkirche.

Pilgerströme und Wunderberichte
Viele Pilger, Gläubige, Kranke und Heilungsuchende aus dem gesamten Oberschwaben machten sich schließlich auf den Weg nach Bergatreute, um vor dem Gnadenbild „Maria vom Blut“ Fürsprache und Heilung zu erlangen. Erste Wunderberichte und Heilungen  machten die Runde.      
So beschreibt Alexander Hepp in seinem Buch „ Maria vom Blut“ an welchen  Augen-Haut- Fuß -und anderen Krankheiten die damaligen Menschen  gelitten haben und wie sie geheilt worden sind.

 
Volksfrömmigkeit und  Kindertaufen
Viele Mütter ließen ihre neugeborenen  Kinder  vor dem „wundertätigen Gnadenbild“ in Bergatreute von Pfarrer Mietinger taufen. Sie kamen von überall her, auch aus den benachbarten Regionen.

Ein Kind tot auf die Welt zu bringen, belastete  die Eltern in früheren Jahrhunderten nicht nur deshalb schwer, weil sie den Verlust ihres Kindes verschmerzen mussten, sondern auch , weil das ungetaufte Kind nach ihrer Vorstellung nicht  unmittelbar in den Himmel kommen konnte, denn nur die Taufe konnte es von der Erbsünde erlösen. Die ungetauften, tot geborenen Kinder kamen daher zunächst in einen Art „Warteraum „oder „Vorhimmel“. Erst von dort konnten sie nach geraumer Zeit des Wartens und Bangens von Gott erlöst werden. Dies wollten die Eltern ihrem tot geborenen Kind nicht antun.

Auch solche Eltern fanden den Weg nach Bergatreute. In seinem Buch schreibt Alexander Hepp, dass von 1688 bis 1697 etwa 2042 Taufen tot geborener Kinder vollzogen worden seien. Die toten Kinder wurden eingeschnürt und eng eingewickelt. Beim Aufschnüren „bewegten“ sie sich manchmal, obwohl sie schon tot waren. Aber wegen dieses „Lebenszeichens“ konnte sie Pfarrer Mietinger  taufen. Auch erhofften sich die Eltern noch ein echtes  Lebenszeichen vor dem Gnadenbild.

Bischof  verbietet die Taufe von toten Kindern
Im 17. Jahrhundert war Konstanz noch Bischofssitz. Die „ Taufpraxis“ von Bergatreute gelangte ans Ohr des zuständigen Bischofs. So bedeutete der 13. August 1689 ein schwerer Schlag für Pfarrer Mietinger, denn der Bischof verbot ihm die Taufe tot geborener Kinder.

Wallfahrt
Pfarr- und Wallfahrtskirche
von Bergatreute

Eigene  Anmerkung
Zu dieser Volksfrömmigkeit haben wir moderne Menschen fast keinen Zugang mehr. Aber bei der „medizinischen Betreuung“ früherer Jahrhunderte griffen die Menschen bei Krankheit und Tod nach jedem Strohhalm.
In den Gnadenbildern, ob sie nun  Wunder wirkten oder nicht, fanden die Menschen Vetrauen, Stärke, Hoffnung und einen tiefen Glauben. Vielleicht gibt es zwischen Himmel und Erde doch mehr als wir uns mit unserem kühlen Verstand vorstellen können.
Im vorliegenden Text konnte ich natürlich die Ereignisse um das „ Gnadenbild Maria vom Blut“ nur bruchstückhaft und sehr verkürzt darstellen. Neben eigenem Wissen verweise ich daher auf die Quellen, aus denen ich geschöpft habe. Besonders darf ich auf das Buch von Alexander Hepp hinweisen, der unendlich viel nachgeforscht und sein Wissen inhaltlich und sprachlich hervorragend aufbereitet  hat. Das Lesen des Buches ist für kirchengeschichtlich Interessierte ein Genuss.

Benutze Literatur: 
Alexander Hepp: Maria vom Blut
Ein verletztes Gnadenbild aus Italien verbreitet sich in Mitteleuropa – Ursprung, Geschichte
und Wunder der Wallfahrt im oberschwäbischen Bergatreute.
Fe-medienverlag GmbH , 88353 Kisslegg, 2 .Auflage 2011; 

Wolfegger Blätter, Ausgabe 2011
325 Jahre Maria vom Blut
Der Weg eines wundertätigen Gnadenbildes

300 Jahre Wallfahrt Bergatreute
Verlag Schnell & Steiner GmbH  München

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Von Wallfahrern, Jakobspilgern, Heilungsuchenden,Votivtafeln und barocker Volksfrömmigkeit

Geschichtliches und Nachdenkenswertes über die Pfarr- und Wallfahrtskirche in Pfärrich, Gemeinde Amtzell

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Wallfahrtskirche Pfärrich
Hoch oben über dem Argental, zwischen der Großen Kreisstadt Wangen und der Gemeinde Amtzell, blickt eine der ältesten Wallfahrtskirchen Oberschwabens über eilig Vorbeifahrende und geruhsame Wanderer herab. Die Rede ist von der altehrwürdigen Pfarr-und Wallfahrtskirche Mariä Geburt in Pfärrich, die  mit ihrem grünen Turm weithin sichtbar ist und zu der noch heute viele Wallfahrer das ganze Jahr über hochpilgern. Die Fastenfreitage, die Feste Mariä Lichtmess (2. Februar) und Mariä Himmelfahrt mit der Weihe der Kräuterbüschel (15. August) gehören zu den Pfärricher Hochfesten im Jahresverlauf.
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Wallfahrtskirche Pfärrich

Die Jakobsmuschel oder Pilgermuschel und der Pilgerstab sind noch heute Zeichen frommer Pilgerschaft , die nach der Verwüstung der Wallfahrtskirche durch die Schweden  im Jahre 1645 einen neuen Aufschwung genommen hatte. Es begann eine Blütezeit der Kirche und der Wallfahrten.

Früher waren die Wallfahrer zu Fuß einen ganzen Tag unterwegs.

Die frommen Votivtafeln, die die hilfesuchenden Menschen an der hinteren Innenwand der Kirche anbrachten, weisen auf  Erhörung der Gebete hin.
Heilung suchten die Menschen bei Krankheit und Unfällen, Hilfe bei Prüfungen und bei wichtigen Entscheidungen und Trost beim nahen Tod eines geliebten Menschen. Wallfahrten waren auch immer ein religiöses und geselliges Ereignis. Betend und singend erreichten die Pilger nach stundenlanger Wanderung dann ihr Ziel.
Natürlich gehörte auch die leibliche Stärkung dazu. Daher gab es in der Nähe der Wallfahrtsstätten auch immer ein Gasthaus zur gemeinsamen Einkehr.
Dies ist in Pfärrich und anderswo noch heute der Fall.

Wallfahrt
Hl. Jakobus mit Muschel und Pilgerstab
Votivtafel
Alte Votivtafel:  Dank für die Rettung aus großer Not




Votivtafel
Die anderthalbjährige Magdalena Spieß wurde aus der Wolfegger Ach gerettet, in die sie in einem unbeobachteten Moment gefallen war. Sie kam wieder zu Bewußtsein. Die Eltern unternahmen zum Dank eine Wallfahrt nach Pfärrich und ließen diese Votivtafel malen (1680). 
Votivtafel
Votivtafel: Eine besorgte Mutter bittet um Hilfe für ihr krankes Kind



Votivtafel
Dank für die Genesung eines Kindes
Der heute berühmteste Wallfahrtsweg ist der Jakobsweg nach Santiago de Compostela ( Spanien) zum Grab des Apostels Jakobus. Durch Süddeutschland führten viele Pilgerwege über Frankreich zu diesem  berühmten spanischen Wallfahrtsort, der  gerade heute wieder von vielen jungen Menschen in tagelanger Wanderung mit Rucksack und Pilgerstab aufgesucht wird. Sicher führte einer davon auch durch Pfärrich, vorbei an der Wallfahrtskirche Mariä Geburt, zur meditativen Einkehr und zur Mitfeier des Wallfahrtsgottesdienstes. Jakobsmuschel und die Jakobusfigur mit dem Pilgerstab weisen jedenfalls darauf hin.




Votivtafel
Votivbild aus dem Jahre 1775  Gestiftet als Dank für die Rettung aus Seenot
Votivtafeln
Heutige Votivtafeln an der hinteren Kirchenwand














Votivtafel
Bei dieser Votivtafel handelt es sich offenkundig um eine Messerattacke in einer nahen Gastwirtschaft im heutigen Geiselharz bei Amtzell.Der Angreifer (rechts) hält ein Messer in der rechten Hand. Der Angriff erfolgte während eines Spiels. Die links  dargestellte Person ist offenbar Johan Binzer, der angegriffen  worden ist und gerettet wurde.

Der Orginaltext unter der Votivtafel lautet:
"Ano 1734, den 23. April wurde Johan Binzer im Wirtshaus zu Gieselharz beim Spiel gestochen, aber durch die Fürbitte der schmerzhaften Mutter Gottes, gerettet worden. "

Die Legende von der Entstehung der Wallfahrtskirche

Ochse
Wirtshausschild: Der scharrende Ochse aus der Gründungslegende

Zur Entstehung der weithin bekannten Wallfahrtskirche ist folgende Legende überliefert. Ein Ochse soll auf einer Wiese in Pfärrich gescharrt haben. Dadurch wurde ein kostbares Kreuz sichtbar. Aus diesem Anlass wurde an dieser Stelle  eine  Kapelle im Jahre 1377 erbaut. Dieses „religiös gedeutete Ereignis“  ist im Deckenfresko im Chor der Kirche dargestellt. Die gegenüberliegende Gaststätte zum Ochsen  hat vor dem Eingang als Wirthausschild einen Ochsen.

Kostbarkeiten der Pfärricher Kirche

Man muss selbst dorthin gewallfahrtet sein, um das Gotteshaus in seiner ganzen Schönheit und Vielfalt auf sich wirken zu lassen, in dem gotische und barocke Baustile vorherrschen. Es soll noch einmal auf das „barockisierte Chorgewölbe“ mit der Gründungslegende verwiesen werden. Besonders eindrucksvoll offenbart sich dem Besucher die Piéta, die von Bildhauer Peter Paul Metz 1853 gestaltet worden ist. Sie zeigt Jesus nach der Kreuzabnahme im  Schoß Marias. Apostel, Kirchenlehrer und Heilige schmücken die Seitenaltäre und den Innenraum der Kirche, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder erweitert und renoviert worden ist.
Am Eingang zur Kirche steht der Marienbrunnen, der 1900 aus Ravensburg käuflich erworben worden ist.

Altar
Altarbild (Hauptaltar )




Wallfahrt
Deckenfresko (1716) im Barock-Chorgewölbe mit der Gründungslegende der Kirche und den Wappen der Haken (links), der Humpis (rechts) , Österreichs (unten) und der Bischöfe von Konstanz (oben)
Altar
Der Hauptaltar mit der Pfärricher Pietà von Bildhauer Peter Paul Metz (1853) Jesus nach der Kreuzabnahme im Schoß Marias

Kanzel
Die künstlerisch gestaltete Kanzel
Altar
Der Hauptaltar mit den 4 Seitenaltären
Bild
1. Station: Jesus wird zum Tode verurteilt

Wallfahrt
Rokokreuzweg: III. Station - Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Wallfahrt
Szenen aus dem Rokoko-Kreuzweg:  XII Station: Jesus stirbt am Kreuz
Wallfahrt
Holzplastik (um 1715) Judas Thaddäus als Apostel und Märtyrer
Brunnen
Der Marienbrunnen


Wallfahrt
Anna Selbdritt (um 1685) (Barock) an einem Nebenaltar

Wer sich vertiefend auch über die Geschichte der Kirche  informieren möchte, den verweise ich auf die Broschüre  „Pfärrich- Pfarr- und Wallfahrtskirche“ 1. Auflage 2001 Kunstverlag Josef Fink.

Benutzte Quellen:
Pfärrich, Pfarr-und Wallfahrskirche 1. Auflage 2001
Verfasser Otto Beck, Kunstverlag Josef Fink, 88161 Lindenberg
Verschiedene Presseveröffentlichungen, SZ August 2012 ,
Teilnahme an einer Kirchenführung,
eigene Kenntnisse.

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Klösterliches Brauchtum und religiöse Volkskunst

Von Fatschenkindern und Seelentrösterlein

Seit dem Mittelalter gibt es vor allem in Süddeutschland den Brauch, Fatschenkinder herzustellen und zu verehren oder Seelentrösterlein zu verschenken.

Fatschenkinder
Fatschenkinder in der Wiege und kostbare Schränkchen

Fatschenkinder oder Wickelkinder

Besonders in den Frauenklöstern des Mittelalters wurden Fatschenkinder in vielfältigen  Ausführungen  um die Weihnachtszeit in wertvollen  kleinen Schränkchen ausgestellt oder in einer Wiege liegend verehrt. Die Figuren aus Wachs zeigen das neugeborene Jesuskind, das in goldene, silberne und reichlich verzierte Tücher und Bänder sehr straff eingewickelt ist. Fatschen bedeutet wickeln, lat.fascia-Wickel.

Eines der bekanntesten Fatschenkinder ist das „Prager Jesulein“.

Fatschenkinder
Ein besonders kostbar gewickeltes Jesuskind

Der Überlieferung nach wurden die neugeborenen Kinder deshalb so streng gewickelt, damit sie durch die körperliche Ruhestellung schön gewachsene Glieder
erhielten und ihr Wachstum gefördert werde. 

Die Verehrung des in bunte Bänder gewickelten Jesuskindes in den Frauenklöstern Süddeutschlands , Südbayerns und Österreichs soll auf die hochmittelalterliche Mystik zurückgehen und bis ins 18. Jahrhundert angedauert haben.

Ein Seelentrösterlein zum Abschied

Fatschenkinder
Fatschenkinder, Seelentrösterlein und ein Prager Jesulein
Der Eintritt in ein Kloster bedeutete für die Novizinnen ein herber Einschnitt in ihr bisheriges Leben. Sie mussten ihr Zuhause verlassen und sahen sich einer fremden Welt ausgesetzt. Eltern, Geschwister, Nachbarschaft , Freundinnen und die vertraute Heimatlandschaft mussten sie für ein Leben in fremder klösterlicher Zurückgezogenheit und in Klausur eintauschen .
In dieser Situation  sollte ein Seelentrösterlein, das ihnen die Eltern gespendet haben, Trost und Zuversicht vermitteln.
Solch ein Seelentrösterlein war ein Jesuskind, das die jungen Klosterfrauen in ihre Klausur mitnehmen und  im Verlauf des Jahres mit kostbaren Gewändern ausstatten durften. So entstand für Jahrhunderte eine besondere Jesuskind-Verehrung.

Museum für Klosterkultur in Weingarten

Im württembergischen Weingarten ist noch bis 31.März 2013 im Dachgeschoss des Museums eine Ausstellung von Fatschenkindern und Seelentrösterlein zu sehen (hier geht's zum Flyer), die Museumsgründer Jürgen Hohl aus ganz Oberschwaben zusammengtragen hat.

Viele dieser ausgestellten Kleinode hat Museumsleiter Jürgen Hohl zunächst gereinigt und restauriert. Durch seine vielfältigen Kontakte konnte er seine Sammlung, die aus Oberschwaben, Vorarlberg und Bayern stammt, erfolgreich zusammentragen und so eine ansehnlichen Ausstellung aus orginalen und nachgearbeiteten Figuren der Öffentlichkeit vorstellen.

Bei Jürgen Hohl können Interessierte auch Kurse zur Herstellung von Fatschenkindern und weiterer Gegenstände des religiösen Brauchtums belegen.

Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Museums für Klosterkultur.

Quellen: Führung durch das „Museum für Klosterkultur“ mit Brauchtumsforscher Jürgen Hohl,
Faltblätter des Museums ,
Faltblatt „ Das Jesuskind in Bayerns Frauenklöstern“( Diözesanmuseum Freising),
Faltblatt:  Religiöse Volkskunst aus vier Jahrhunderten und sechs europäischen Ländern.

Recherche im Internet und eigenes Wissen.

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