Kultur und Geschichte in Wangen - Badekultur


Von Badern, Wundärzten und Chirurgen - Badekultur in Wangen und anderswo im 16. und 17. Jahrhundert

Badekultur
So erholsam und entspannend  kann mittelalterliche Badekultur sein!
( Aufgenommen bei einer Reise durch Thüringen)
Die Badekultur im 16. und 17. Jahrhundert diente nicht nur der körperlichen Reinigung. Vielmehr waren Geselligkeit, Unterhaltung, essen und trinken ebenso wichtig wie die Gesundheitsvorsorge und das körperliche Wohlbefinden. Dazu gehörten auch das Haar-und Bartscheren, sowie der Aderlass und das Schröpfen. So wurde in Wangen eine alte Badeanlage aus dem Jahr 1589 freigelegt und von 1991 bis 1993 gründlich saniert. Zu sehen ist ein Kreuzgewölbe, das auf vier Rundsäulen ruht und das das damalige Bade -und Gesundheitswesen anschaulich darstellt.

Badekultur Badekultur

"1629 wurde der Bader Balthus Riedlin mit seiner ganzen Familie ein Opfer der Pest. Die Badstube wird darauf dem Bader, Wundarzt und Totenscherer Jerg Weidlin gegen Zins verliehen." (Schrift 400 Jahre altes Badegebäude) .Im Jahre 1687 kündigt er . Sie wird daraufhin Martin Schmidt übergeben. Da auch er den Zins nicht mehr aufbringt, übernimmt 1695 Johann Frommweiler den Badebetrieb. Er kündigt 1696. 1698 wird der Badebetrieb eingestellt. Die Räumlichkeiten werden nun den verschiedensten Zwecken zugeführt. Im Jahre 1910 wurde aus der Wangener Badstube eine Wanderarbeitsstätte. Ab 1940 wurde das Bad als Lagerraum und als Unterkunft für Raumungsschuldner verwendet. Heute ist die Badstube ein Museum und kann im Rahmen von Stadt-und Museumsführungen besichtigt werden.

(Quelle: 1589-1989, 400 Jahre altes Badgebäude- Stadtarchiv Wangen)

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Horst Prignitz ( Wasserkur und Badelust, Leipzig 1986) schildert das Badeleben jener Zeit so:

"Das Bild des eigentlichen Schwitz- und Baderaumes wurde beherrscht von einem Badekulturmächtigen Kachelofen.
Die mit Holz geheizten Öfen dienten nicht nur der starken Erhitzung des Raumes, sondern mussten auch ständig Nachschub an heißem Wasser liefern.

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Zum Inventar gehörten auch Wannen aus Kupfer und Messing und kreisförmige hölzerne Badezuber.... Für das Schwitzen spielte natürlich die Schwitzbank eine besondere Rolle. Die Bänke waren oft terrassenförmig aufgestellt, so dass man allmählich bis zur Oberbank gelangte. Die eigentliche Badeprozedur begann mit der Reinigung. Ärmere Leute gossen sich mit Wasser ab, während sich wohlhabende Gäste vom Bader unter Benutzung von Lauge abwaschen ließen. ... Während man mehr und mehr in Schweiß geriet durch Hitze , heiße Dämpfe und das sanfte Peitschen mit dem Wedel , stieg man bis zur Oberbank hinauf. Badekultur
BadekulturDanach folgte das Übergießen mit lauem Wasser und all die Tätigkeiten, derentwegen man die Badstube aufgesucht hatte:
das Schröpfen, das Aderlassen, das Haarschneiden und Rasieren..." Die Bader waren auch als Wundärzte tätig und versorgten vielerlei Verletzungen und auch Knochenbrüche. Übrigens gehörten die Chirurgen in Leutkirch zur Zunft der Metzger. Sie besorgten auch Zahnbehandlungen und kleine operative Eingriffe.
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Öffentlicher Badebesuch im 16. Jahrhundert

Der Poet Hans Sachs, der in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts gelebt hat, schildert den Badebetrieb seiner Zeit. Er schreibt :

" Nach dem Ablegen der Kleider wurde der Gast willkommen geheißen. Eine "Untermaid "besorgte das "Einnetzen" mit einer Lauge, die in den Badstuben nach diversen Rezepten selbst hergestellt wurden".

Hans Sachs schildert weiter, dass´der Badende anschließend auf die Schwitzbank stieg, die wie die heutige
Sauna verschiedene Stufen hatte. Ein Kübel Wasser auf den heißen Ofen gegossen, förderte das Schwitzen ungemein. Nach ausführlichem Schwitzen stieg der Gast von der Schwitzbank und wurde von einem" Reiber" oder einem Badknecht abgerieben. Danach wurden Schröpfköpfe angesetzt. Die Schröpfköpfe waren entweder aus Glas, Metall oder Keramik. Sie können in der Wangener Badstube besichtigt werden. Nach dem Erhitzen wurden sie auf die unverletzte Haut aufgesetzt. Auf Wunsch des Gastes wurde auch zur
Ader gelassen. Die Ader in der Armbeuge wurde geöffnet und das herausfließende Blut in einer Schüssel aufgefangen.

Schröpfen und Aderlassen sollen der Gesundheit dienen. Das Scheren des Kopfhaares und des Bartes wurden anschließend von einer " Badmaid" verrichtet. Hygiene, Gesundheitsvorsorge , Lebensfreude und Lebenslust waren Gründe, das öffentliche Bad aufzusuchen.

Die öffentlichen Badstuben waren aber auch Orte der Kommunikation und der Geselligkeit. In " gehobenen" Gesellschaften gehörten auch schmackhafte Speisen und anregende Getränke zu den Badefreuden jener Zeit, in der sich Männlein und Weiblein oftmals eine gemeinsame Wanne teilten. Daher bekamen die
öffentlichen Bäder auch bald ein " Gschmäckle" und wurden später verboten.

Nochmals zurück zum Aderlassen nach dem Bad, das auch gegen Bluthochdruck Wirkung zeigen sollten.
Hierzu rät die Medizinische Hochschule Salerno:



" Vor vierzehn Jahren soll man nicht bald Aderlassen,
viel Kraft geht dadurch weg,
doch kann man solche fassen,
wann man trinkt guten Wein,
das Aderlassen macht ein gut Gesicht,
stärkts Hirn, durch sie wird Hitz gebracht.......
Sie stärcket das Gehör, macht eine gute Stimm .. "

Dagegen soll man nicht zur Ader lassen:

"In großen Schmertzen, nach dem Beyschlaff und dem Bad,
zu kalter Zeit nicht zum Aderlassen rath,
wann auch erfüllet ist der Leib mit Trank und Speiß,
wer einen Ekel hat, hüt sich darvor mit Fleiß,
zu alt und gar zu jung, verbiet die Aderlaß,
zum Aderlassen seind die kalte Länder böß."

(Quelle: Strafen und Heilen, Scharfrichter, Bader und Hebammen ,Autor: Winfried Aßfalg S. 240 ff. Federsee-Verlag)

Wer mehr über den Beruf des Baders und des Chirurgen erfahren möchte, sollte sich unbedingt oben erwähntes Buch zulegen. Kosten 27 Euro, erschienen im Federsee -Verlag, 2001. Autor Winfried Aßfalg versteht es, in seinem reich bebilderten Buch "Strafen und Heilen , Scharfrichter , Bader und Hebammen" geschichtliche Ereignisse aus früheren Jahrhunderten an Einzelschicksalen und im Gesamtzusammenhang vorwiegend aus der Donaustadt Riedlingen für den Leser anschaulich zu berichten.

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Das Ende des öffentlichen Badebetriebs

Die öffentlichen Badehäuser galten zwar überwiegend als " ehrbar" , doch wurden auch Rufe der Unmoral und des Lasters laut. Der Bader selbst galt zeitweise als " unehrlich" . Er durfte keiner Zunft beitreten. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass er " offene" Wunden behandelte und oft auch als "Leichenwäscher" tätig war. Somit rückte er in die Nähe der Abdecker und Henker. Als das Holz knapp und teuer wurde, konnten sich viele das öffentliche Baden nicht mehr leisten.

Im 16. Jahrhundert kamen auch die Heil-und Mineralbäder auf, die viele Badegäste anlockten. Außerdem ließen sich die Menschen eigene Badezimmer in ihren Häusern einbauen. Weitere Gründe für den Untergang der alten Badekultur waren die Angst vor ansteckenden Krankheiten wie Syphilis oder Pest. Kriege und Hungerjahre nahmen ebenfalls die Lust am Badevergnügen. Bürgertum und Adel ersetzten das Reinigen mit Wasser durch Reinigung mit Puder und Parfüm wie es bereits im höfischen Frankreich der Brauch war.

Nachzutragen ist noch, dass in der Wangener Badstube viel Wert auf sauberes Wasser gelegt wurde. Durch eine Öffnung konnte das Schmutzwasser aus dem Badebetrieb direkt in die nahe Argen durch eine leicht abgeschrägte Vertiefung im Boden abfließen. Von der nahe gelegenen Eselmühle wurde stets Frischwasser
über eine unterirdische Deichelleitung aus Holz in die Badstube geleitet. War die Badstube beheizt, wurde dies den Bürgern durch Ausrufen oder durch ein Hornsignal bekannt gegeben.

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Brunnen hinter der Badstube, zwischen
Badstube und Argen.

Quelle:
Schwäbische Zeitung ( Zeit & Welt) vom 15. Juli 1995
Autorin:
Christel Voith
sowie Ausführungen der Wangener Stadtführer.

Beim Wangener Gästeamt (Tel. 07522/ 74-211) oder unter www.wangen.de kann die Öffnungszeiten der Badstube erfragt und werden. Auch im Rahmen der Stadtführungen ist die Badstube zu besichtigen.

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