Jedermann in Wangen und Umgebung kennt die berühmten Seelen. Es ist ein Gebäck aus Weißmehl oder ökologischem Roggenmehl und mit Salz und Kümmel bestreut. Diese Wangener Spezialität ist ein längliches Brotgebäck , mal dicker zum Aufbacken für Liebhaber, die sie bei einem Besuch in der Stadt für zu Hause oder in den Urlaub mitnehmen möchten oder dünner zum sofortigen Gebrauch. Die Seelen, entweder aus dunklem oder hellem Mehl gebacken, werden meist zum Frühstück, zum Mittagessen oder am Abend mit Leberkäs(ebenfalls eine Spezialität) verzehrt. Jeder Wangener Bäcker hat sein eigenes Seelenrezept. Die Seelen schmecken überall ein wenig anders, nie gleich. Von Wangen aus soll das längliche knusprige Brotgebäck seinen Siegeszug nach Oberschwaben und ins benachbarte Bayern angetreten haben. Kenner behaupten allerdings, dass sie nirgendwo so gut schmecken wie in der Allgäustadt. Es soll " ausgewanderte" ehemalige Wangener geben, die bei einem Besuch in ihrer Heimatstadt für sich , für ihre Nachbarn und für Freunde einen Kofferraum voller Seelen zum späteren Aufbacken mitnehmen. Allerdings muss gesagt werden, dass das Seelenbrot frisch gebacken am besten schmeckt. Doch was ist der geschichtliche Ursprung dieses speziellen Brotes? Die drei wichtigsten Deutungen sollen hier angeführt werden. |
Im Mittelalter gab es im Alten Friedhof, an der Lindauer Straße, das Seelhaus. Dieses Fachwerkhaus beherbergte Kranke, Krüppel, Sieche, Bettler und andere Bedürftige. Man wollte diese armen Teufel nicht in die Stadt hinein lassen. Sie sollten vor der Toren der Stadt bleiben. Doch was sollte mit ihnen geschehen? Man konnte sie doch nicht verhungern lassen! Da versorgte das Heilig-Geist-Spital (dies gibt es heute noch) diese Menschen mit Speisen und Getränken. Die reichen Bürger, vornehmlich aus der Wangener Herrenstraße, wollten ebenfalls etwas für ihr Seelenheil beitragen. Es waren wohl der Onofries, Paul Hinderofen, Andreas Schlegel, Andreas Küni und andere, die zunächst das Seelhaus gestiftet Unter die armen Bewohner verteilten sie dann dünne Brote, die sogenannten Seelenbrote oder Seelen. Woher kommt das Seelhaus? |
Ergänzende Informationen | |
Der Alte Friedhof | Blick in den Alten Friedhof wie er wohl Anfang des 20. Jahrhundert ausgesehen hat. Er wurde 1576 vor dem Lindauer Tor angelegt. Wegen der Pest wurde der Friedhof von der St. Martinskirche, also aus der Altstadt,dorthin verlegt. Die Belegung des Friedhofs vor dem Martinstor endete 1913. Die angesehenen und betuchten Bürger der Stadt errichteten Epitaphien (Grabdenkmale) für ihre verstorbenen Angehörigen (Familiengräber). In den Arkaden kann man auf teils wertvollen Tafeln noch heute bekannte Wangener Namen und Geschlechter verzeichnet finden. Die Rochuskapelle, die an den Seuchenpatron Hl. Rochus erinnert,wurde von 1592-1596 erbaut. |
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Die Renovierung des Alten Friedhofs, die gegenwärtig in vollem Gang ist, soll im Frühjahr 2015 abgeschlossen sein. | ||
Das Seelhaus | Das Seelhaus, das 1972 abgebrochen wurde, gehörte einst zum Alten Friedhof, auch Alter Gottesacker genannt. Es steht im Zusammenhang mit der Gabe der Seelenbrote an die Armen und Kranken. Quelle: Beide Fotos wurden einer Dokumentation zum Tag des offenen Denkmals entnommen. (14.September 2014) Freier Architekt, Dipl. Ing. und Bausachverständiger Karl Herter (Wangen), der die Renovierung verantwortlich leitet. |
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Nach der heimatgeschichtlichen Deutung gibt es eine weitere Erklärung für den Ursprung des Seelenbrotes. |
Eine dritte Deutung kommt aus dem Medizinischen. Die Seele erinnert an die Knochenform der Bein- und Armknochen. Das Element "Selen", mit nur einem "e" geschrieben, soll im Knochen enthalten sein. Im Mittelhochdeutschen wurde das Wort " Sele" ebenfalls nur mit einem "e" geschrieben. Woher auch immer die Wangener " Seelen" kommen, welche Deutung auch zutreffen mag, vielleicht von allen etwas, sie schmecken köstlich und sind in ganz Oberschwaben zu einem Begriff für ein knuspriges Gebäck geworden. |
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Quelle: Albert Scheuerle, Wangen im Allgäu, 1974, Wangener Hefte , |